News vom 09.09.2003

Eine Infotainment-Revolution im Automobil oder lediglich alter Wein in neuen Schläuchen?

Ein außerordentlich attraktiver Wachstumsmarkt bietet sich den Herstellern von Informations- und Unterhaltungselektronik für die Ausstattung von Kraftfahrzeugen. Nach einer neuen Analyse der Unternehmensberatung Frost & Sullivan soll der Umsatz auf dem Europamarkt für In-car-Infotainment-Technologien von gegenwärtig 2,6 Milliarden Euro bis 2010 auf mehr als neun Milliarden Euro ansteigen. Dabei werden neue Angebote auch in Zukunft für eine überdurchschnittliche Innovationsrate in diesem Bereich sorgen und dazu beitragen, Produkte und Dienstleistungen zu verbreiten.

Auch wenn mancher Leser zwischen den modernen In-car-Infotainment-Technologien und den von Kioskmarkt her bekannten “alten Kisten” auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten entdekcen mag, so sollte auf den zweiten Blick offenkundig sein, dass diese modernen In-car-Infotainment-Technologien lediglich eine moderne Form eines Kiosksystems darstellen. Dieses soll als Anlass genommen werden, über den Europamarkt über den aktuellen Stand der In-car-Infotainment-Technologien an dieser Stelle berichten.

Noch gilt das vollständig vernetzte Auto insgesamt als zu teuer, und hohe Gerätepreise bremsen bisher den Einsatz von Infotainment-Systemen. Doch die Zukunft des Infotainment hat längst begonnen. Autohersteller wie Audi, BMW und Mercedes-Benz statten ihre Fahrzeuge zunehmend mit Multimedia-Funktionen aus. iDrive in der 7er-Reihe von BMW verfügt beispielsweise über mehr als 700 Funktionen und ist ein erstklassiges Beispiel für innovative Technologie zur Erhöhung des Komforts.

Das Angebot integrierter Infotainment-Funktionen durch große Autohersteller macht aus dem Armaturenbrett eine komplexe Schnittstelle zu Informations-, Navigations- und Unterhaltungssystemen und lässt die Vision eines Cockpits der Zukunft Gestalt annehmen.

Allmählich dürfte die Infotainment-Technologie – bereits jetzt ein erstklassiger umsatzfördernder Differenzierungsfaktor – auch eine breitere Einführung erleben und den Anbietern hohe Gewinnmargen sichern, da immer mehr anspruchsvolle Kunden bereit sind, viel Geld für eine höhere Wiedergabequalität und bessere Informationsdienste zu zahlen.

DVD und Festplattensysteme sind die Technologien der Zukunft

Der Umstieg von der analogen auf die digitale Technologie ebnet den Weg für neue Infotainment-Funktionen und trägt zusätzlich zur Marktexpansion bei. Im Jahr 2002 wurden in Europa insgesamt fast 13 Millionen Multimedia-Player für CDs, Mini-Discs oder DVDs in Kraftfahrzeuge eingebaut, was einem Umsatz von mehr als 850 Millionen Euro entspricht. Langfristig dürften Mini-Disc- und CD-Player allerdings von DVD- und Festplattensystemen abgelöst werden. Die einfache Bedienbarkeit, die hohe Bildqualität und die Zusatzfunktionen von DVDs sowie die Vorteile des universell anwendbaren Standards sprechen für sich. "Dabei könnte die Fähigkeit, mehr als nur Navigationsinhalt abzuspielen, die Grundlage für eine volle Systemintegration bilden, wie sie von Herstellern von Fahrzeugen der Oberklasse favorisiert wird", erklärt Christian Mueller, Branchenanalyst bei Frost & Sullivan.

Navigationssysteme sind größter Umsatzbringer

Die ständig steigende Verkehrsdichte und der Wunsch der Autofahrer nach möglichst ungehindertem Fahren dürften für eine kontinuierlich wachsende Nachfrage nach modernen Routenplanerfunktionen sorgen, was schließlich zu einer größeren Verbreitung der Off-board-Navigation führen wird. Die Off-board-Navigation greift via UMTS auf kartographische Daten zu und wird den europäischen Navigationsmarkt voraussichtlich erheblich verändern.

"Aufgrund der hohen Systempreise werden Navigationssysteme bisher vorrangig in Fahrzeuge der oberen Preisklasse eingebaut. Im Jahr 2002 umfasste der Markt für Navigationssysteme 2,8 Millionen Einheiten, was einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro entspricht. Mit der Einführung neuer Systeme für die unteren Preisklassen wird sich der Absatz bis 2010 vervierfachen", erläutert Mueller.

Digitales Radio: Terrestrisch oder über Satellit

Vorsichtig optimistisch ist die Analyse hinsichtlich des Erfolgs von S-DAB-Satellitenradiosystemen. Sie sollen ab 2006 verkauft werden, wobei die in diesem Sektor aktiven Unternehmen mehr Potenzial in Nutzfahrzeugen als in PKWs realisieren dürften. Im Jahr 2010 soll das Satellitenradio für 1,8 Prozent des gesamten europäischen In-car-Infotainment-Marktes aufkommen.

Hohe Stückkosten und unzureichende Marktabdeckung hemmen das Wachstum auf dem noch jungen T-DAB-Markt für terrestrisches Digitalradio. Mit den neuen Fahrzeugmodellen des Jahres 2005 dürfte dieser Sektor jedoch in Schwung kommen und seine höchste Wachstumsrate erreichen, da erwartet wird, dass die meisten Fahrzeughersteller T-DAB dann in ihre entsprechenden Produktpaletten einführen. Bis 2006 soll ein Umsatzvolumen von 108,8 Millionen Euro erreicht werden.

Umsatzprognose des Europamarktes für In-car-Infotainment 
										Umsatzprognose des Europamarktes für In-car-Infotainment
									(Quelle: Frost & Sullivan Report B175 – Angaben gerundet)

OEMs dominieren den Markt

Auf dem Europamarkt für In-car-Infotainment sind zahlreiche Anbieter aktiv, darunter große Systemintegratoren wie Siemens VDO Automotive ebenso wie kleine Zulieferer von speziellen Sound-Systemen. Gemäß Frost & Sullivan entfielen 2003 zwei Drittel der Umsätze des Gesamtmarktes auf Originalgerätehersteller. Im Verlauf des Prognosezeitraums soll sich diese Dominanz weiter verstärken, während der Zweitausrüstermarkt einen leichten Rückgang verzeichnen dürfte.

Der OEM-Markt für Infotainment-Systeme besteht aus zehn Unternehmen mit Schwerpunkt auf der Systemintegration. Immerhin streben die Hersteller von Oberklassewagen die Schaffung einer einzigen Schnittstelle für die Steuerung der Fahrzeugfunktionen an und kombinieren beispielsweise Mehrwert-Infotainment-Funktionen mit der Bedienung von Heizung, Lüftung und Klimaanlage. So greift etwa die Firma Becker, auf die gegenwärtig 40 Prozent des deutschen Marktes für Navigationssysteme entfallen, über ihr Navigations-Know-how hinaus, um voll integrierte Lösungen wie das COMAND-System für Mercedes-Benz anzubieten.

Umsatzprognose des Europamarktes für In-car-Infotainment

Jahr Umsätze (in Milliarden Euro)
2002 2,30
2003 2,60
2004 2,94
2005 3,41
2006 4,00
2007 4,69
2008 5,78
2009 7,32
2010 9,24

Quelle: Frost & Sullivan Report B175 – Angaben gerundet

Sony führend im Zweitausrüstermarkt

Der Zweitausrüstermarkt ist stärker fragmentiert als der OEM-Markt, hier stehen zahlreiche Anbieter im Wettbewerb um Marktanteile, wobei auf Sony mit 17 Prozent der gegenwärtig größte Anteil entfällt.

Nach der Einschätzung von Frost & Sullivan stellt eine modulare Systemarchitektur, wie sie etwa von Alpine eingeführt wurde, eine sehr gute Möglichkeit dar, flexibel auf sich verändernde Markt- und Technologiebedingungen zu reagieren. Die Modularität bietet den strategischen Vorteil, per Plug-and-play-Betrieb auch später noch neue Funktionen hinzuzufügen. Deshalb sollten auch andere Anbieter diesen Weg einschlagen.

"Wir empfehlen den Anbietern, sich auf ihre entsprechenden Spezialgebiete zu konzentrieren und sich entweder eine Marktnische zu sichern oder die Zusammenarbeit zu suchen. Die Vereinbarung zwischen Sony und Visteon etwa, mit der die Unterhaltungselektronik ins Auto gebracht werden soll, stellt einen ersten Konsolidierungsschritt auf dem Europamarkt für In-car-Infotainment dar. Wir gehen davon aus, dass die Anbieter von Unterhaltungselektronik auf die Markterfahrung von herkömmlichen Automobilzulieferern bauen sollten und umgekehrt," so lautet das Fazit der Analyse.

Und zu der eingehenden Frage: Eine Infotainment-Revolution im Automobil oder lediglich alter Wein in neuen Schläuchen? Der Herausgeber des Kioskspecials ist absolut überzeugt, dass sich hier eine echte Revolution abzeichnet, die den gesamten Automobilsektor nachhaltig verändern - wenn nicht gar erschüttern - wird.

Detaillierte Erkenntnisse lassen sich folgender Studie entnehmen: Frost & Sullivan’s Analysis Of The European In-Car Infotainment Market, Report B175