News vom 23.06.2003

Individuelle CDs On Demand - Der Einsatz mobiler Kioskterminals im Musik-Marketing

Musikliebhaber sehen sich oftmals mit der Situation konfrontiert, dass von der Gesamtzahl der auf eine CD gepressten Musikstücke lediglich einige wenige Titel den eigenen Musikgeschmack in vollem Umfang treffen. Die weiteren Lieder dienen oftmals nur der “kosmetischen” Auffüllung der CD. An diesem Umstand setzt eine Innovation von Sony und  Universal an. Seit Juni bieten diese Unternehmen den Endkunden einen neuen Service an, nämlich Musik-CDs im Laden selbst zusammen zu stellen und zu brennen.

Der Einsatz von Kiosksystemen im Musik-Marketing ist nicht neu. Angefangen beim tatsächlichen Einsatz des Karstadt-Musik-Masters als Informations- sowie Verkaufsterminal bis hin zum geplanten Einsatz von Brennstationen für den Point Of Sale. Die Gemeinsamkeit dieser Projekte besteht darin, dass sie sämtlich gescheitert sind - sei es aus Gründen der technischen Überalterung, welche eine komplette Neuentwicklung und damit einhergehend hohe Investitionen erfordert hätten, oder auch aus vielfältigen Lizenzproblemen, welche auch eine aktuell diskutierte Problematik im Zusammenhang mit Musik-Downloads aus dem Internet darstellen.

Angesichts eines dramatischen Rückgangs der Tonträger-Umsätze parallel zur stetig steigenden Nutzung von rechtlich zumindest zweifelhaften Tauschbörsen im Internet sucht die Musik-Industrie nun nach Wegen, um die Attraktivität des legalen Musikerwerbs durch die Endkunden zu erhöhen.

Die Kunden des Lübecker Medienkaufhauses Pressezentrum können seit Anfang Juni 2003 ihre individuellen Musik-CDs on demand selbst brennen. Das “Individual-CD” genannte Verfahren stellt eine Weltneuheit dar und weist ein hohes Maß an Kundenorientierung auf. Mittels eines mit einem Laserscanner ausgestatteten PDAs erfassen die Kunden die Codes der am Point Of Sale präsentierten CDs. Das Gerät erhält über ein hausinternes Funknetz jeweils 30-sekündige Ausschnitte der CD-Lieder, die sich die Kunden über Kopfhörer anhören können. Per Touchscreen können sie die Titel auswählen und die Stücke in voller Länge mit Liedern anderer Alben zu einer Wunsch-CD zusammenstellen. Danach weisen sie - ebenso drahtlos - diese Liste einem CD-Brennroboter zu. Dieser beginnt in dem Augenblick vollautomatisch die CD zu brennen, in dem der Kunde an der Kasse seinen individuell zusammengestellten Sampler bezahlt.

Mit diesem Angebot implementieren Universal Music und Sony Music einen neuen Distributionsweg im stationären Musikhandel. Universal stellt 12.000 Songs zur Verfügung. während Sony Music weitere 8.000 aktuelle Hits beisteuert. Weitere Songs anderer Labels sollen im Laufe der Zeit das Angebot erweitern. Geplant ist ferner, auf dem hausinternen Zentralserver bis zu 100.000 aktuelle Musik-Alben mit mehr als einer Million Liedern zu speichern. Dieses digitale Musikarchiv soll dann fortlaufend um Neuerscheinungen der internationalen Charts ergänzt werden. Jedes Musikstück kostet 99 Cent. Für den CD-Rohling, die Hülle und ein Cover mit den Lieder- und Interpreten-Namen, das aus Vorlagen individuell gestaltet werden kann, sind zwei Euro zu entrichten. 14 Lieder passen auf die Wunsch-CD.

Das technisch aufwändige Konzept wurde von der mittelständisch geprägten Lübecker Firma IMHG speziell für den Musikhandel entwickelt und soll nach erfolgreichem Start der Pilotanwendung interessierten Fachgeschäften angeboten werden. Für den stationären Musikhandel bedeutet dieses die Chance, einen Teil des an das Internet verloren gegangenen Umsatzes zurückzugewinnen. Dazu IMHG-Gesellschafter Martin Salzmann: “Wir bieten mit diesem Verfahren auch ein neuartiges Einkaufserlebnis. Die Kunden können durch die Musik-Abteilung bummeln, die Original-CDs ansehen, anfassen und anhören, mit anderen darüber sprechen und gemeinsam oder individuell auswählen. Wir beobachten, dass besonders Jugendliche Alben oft nur wegen einzelner bevorzugter Songs kaufen. Sie können entweder ihr Taschengeld schonen und nur diese Lieblingsstücke brennen oder den gesamten Platz der CD ausnutzen und Titel von anderen Interpreten dazu packen.”

Im Zuge der geplanten Weiterentwicklung des Individual-CD-Konzeptes sollen weitere technische Innovationen in den EInsatz mobiler Musik-Kioskterminals einfließen. So sollen die Kunden nach der Anlaufphase auch das Format auswählen können, in dem ihre CD gebrannt werden soll: Als “echte” CD für den Player der Stereo-Anlage oder als MP3-CD für den Computer. Die direkte Übertragung der Songs auf ein MP3-Speichermedium ist ebenfalls möglich. Der Preis für das einzelne Musikstück bliebe dabei mit 99 Cent unverändert. Martin Salzmann betont: “Nur mit einem innovativen Musikhandelskonzept hat der stationäre Handel eine Chance, den Wettbewerb mit dem Online-Handel zu bestehen.”. Dieser Aussage ist nichts weiter hinzuzufügen.

Dr. Lars Fischer